Die “Street-Photography” ist wahrscheinlich so alt wie die Fotografie selbst und erfreut sich auch heute noch einer hohen Beliebtheit. Mit dem Handy in der Tasche ist die Kamera allgegenwärtig und ein gutes Bild nur einen Klick entfernt. Auch ich fotografiere heute vermutlich mehr mit dem smarten Alleskönner als einer dedizierten Kamera.
Fotografie ist aber selbstverständlich mehr – so gibt es neben den kleinen Wundertüten in Form des Smartphones aber auch weiterhin ganz klassische Fotoapparate für diese Art der Fotografie (und natürlich für alle Zwecke darüber hinaus…)
Beschäftigt sich man mit der Thematik landet man häufig bei Leica. Die Leica M Reihe gilt seit jeher als klassische Reportage und Straßenfotografie-Kamera. Das klassische Messsuchersystem mit manueller Fokussierung hat bis heute viele Fans in der Szene. Allerdings erfordert der Einstieg in das digitale Leica System auch heute noch einiges an Übung und Budget. Definitiv nicht für jeden empfehlenswert – aber gewiss erwähnenswert.
Schaut man nach Alternativen landet man häufig bei Fujifilm.
2010 kam mit der X100 eine wirklich spannende Kamera auf den Markt.
Die Fakten: 12MP Auflösung am APS-C Sensor, klassisches 35mm KB Äquivalent mit Blende f/2.0 nebst Autofokus und einem Hybrid-Sucher: Dieser bot eine Kombination aus optischem Sucher ala Leica – kombiniert mit elektronischen Einblendungen. Ein tolles Konzept.
Ich hatte damals längere Zeit mit der Kamera gearbeitet. Ein wirklich schmuckes Gerät – mit jedoch sehr begrenzter Arbeitsgeschwindigkeit. Die Kamera war gefühlt Ihrer Zeit voraus und durchlebte seitdem mehrere Evolutionsstufen – mittlerweile ist die fünfte Generation mit der Bezeichnung X100V und satten 26MP Sensor erhältlich. Mit einer UVP 1499€ jedoch auch kein ganz günstiger Einstieg.
Es kann daher Sinn machen über eines der älteren Modelle nachzudenken – denn im Grunde hat sich fast nichts grundlegend verändert. Wer keine hohen Bildraten oder pfeilschnellen AF benötigt kommt mit Generation 4 oder 3 ganz sicher auf seine Kosten. Nur die “X100” der ersten Generation ohne jeglichen Zusatzbuchstaben aus 2010 würde ich heute in der Tat nicht mehr empfehlen.
Nun: Was gibt es für Alternativen?
Etwa die GR Reihe von Ricoh – eine ebenfalls tolle Kamera mit großem APS-C Sensor und einem 28mm Brennweitenäquivalent bei wirklich kompakten Maßen. Optisch dagegen eher langweilig…
Sie hat jedoch ein – in meinen Augen – großes Manko: Es gibt keinen eingebauten elektronischen Sucher. Das ist wirklich schade und für mich daher ein klares K.O.-Kriterium.
Übrigens: Ricoh hat mit der GRIIIx eine weitere Option mit veränderter Brennweite auf den Markt gebracht: Hierbei handelt es sich um ein 40mm KB Äquivalent – somit also ein etwas dichterer Blickwinkel was mir gut gefallen würde. Aber leider auch hier ohne eingebauten Sucher. Das ist wohl der Kompromiss.
Leica Q / Q2 – relativ teuer aber wer etwas Eigenständiges und seltenes sucht könnte hier fündig werden – inkl. eingebautem elektronischen Sucher.
Sony RX1 – Kompakte 24MP Vollformat-Kamera mit 35mm Festbrennweite und Blende f/2. Teuer, exklusiv aber qualitativ ein sehr spannendes Tool. In der ersten Version wie auch die Ricoh jedoch leider ohne Sucher.
Spätere Ausbaustufen wie die RX1 RII mit 42MP hatten dann endlich einen integrierten, ausklappbaren EVF – klasse! Leider aber auch heute noch gebraucht mit deutlich über 1500€ verhältnismäßig preisintensiv und eher etwas für Liebhaber und intensive Nutzer.
Zudem: All diese Kameras haben verbaute Festbrennweiten – man ist also auf die jeweilige Brennweite festgelegt ! Ein Wechsel des Objektivs wie bei Systemkameras ist daher nicht angedacht.
Sony Alpha 6xxx und A7 – Natürlich eignen sich auch sonstige Kameras wie die Alpha 6000er Reihe (APS-C) oder A7 (Vollformat) mit entsprechenden Objektiven zur Straßenfotografie.
mfT – Micro Four Thrids… vielleicht die Budget-Lösung?
Zugegeben: meine Erfahrung mit mfT Kameras liegt etwas zurück und bezog sich am ehesten auf den Videobereich. Die GH2 von Panasonic war damals eine wirklich spannende Videomaschine. Für den fotografischen Bereich habe ich die Kamera dagegen nie ernsthaft in Betracht gezogen – Dynamik und Rauschverhalten waren seinerzeit eher unterirdisch verglichen mit APS-C oder auch Kleinbild. Aber das ist nun auch schon mehr als 10 Jahre her…
Nun ist die kleinere Sensorgröße von mFT gegenüber APS-C oder gar Kleinbild aber durchaus ein interessanter Punkt der mir zumindest einen Denkanstoß gab. Könnte man sich nicht eine ältere Gebrauchte mit mFT Sensor und entsprechender Optik als “Budget-X100” zusammenstellen?
Natürlich sollte man dabei bedenken: der “kleine” mFT Sensor bietet einen nochmals anderen Umrechnungsfaktor in Bezug auf das Kleinbildformat (Crop von 2x anstatt 1.5 bei APS-C), ein schlechteres Rauschverhalten und eine möglicherweise geringere Dynamik verglichen mit Spitzenmodellen nebst großem Sensor.
Aber es gibt eben auch Vorteile – und die liegen etwa in der Baugröße als auch dem Anschaffungspreis begründet. Objektive für das mfT Bajonett sind häufig sehr viel kompakter konstruiert da der Bildkreis entsprechend kleiner ist. Theoretisch müsste man jedoch deutlich lichtstärkere Gläser verwenden um dasselbe Freistellungspotential eines Kleinbildsensors bei identischer Blende zu erreichen.
Vereinfacht gesagt: Auch hier kommt der Umrechnugsfaktor von 2 zum tragen – Blende 4 an einer mFT Kamera wirkt eher wie eine Blende 8 am Kleinbildsensor… Wenn ihr möglichst separierte Hintergründe erzielen wollt – hilft an mFT nur nochmals mehr Lichtstärke und der richtige Objekt/Hintergrund-Abstand.
Neben Panasonic spielt auch Olympus im mFT Lager mit – und bietet die in meinen Augen deutlich attraktiveren Kameragehäuse an. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
So hat die GX Reihe von Panasonic durchaus optische Ähnlichkeiten in Richtung Fuji X100 oder auch M1 von Leica, bietet darüberhinaus jedoch einen integrierten elektronischen Sucher nebst vielen Funktionen und der Objektiv-Wechselmöglichkeit durch das kleine mfT Bajonett.
Gebraucht bekommt man etwa die GX80 aktuell mit etwas Glück im Bereich um 300€.
Und auch den Nachfolger eine halbe Klasse höher in Form der GX9 bekommt man neu für etwa 500€ – gebraucht nochmal eine deutliche Schippe darunter. Jeweils ohne Objektive – das für den Hinterkopf.
Technologisch steckt da wirklich eine Menge unter der Haube inkl. 4K Video, flottem AF und mehr.
Und dann gäbe es da noch die O-MD EM Reihe von Olympus in den verschiedenen Varianten im eher klassischen “SLR-Retro-Design” mit angedeutetem Prismensucher. Letzterer ist natürlich auch einem elektronischen Pendent gewichen.
Während die E-M1 in den jeweiligen Ausbaustufen (Mark 1 – 3) eher die Profifotografen anspricht – gab es eine Stufe darunter die E-M5 (ebenfalls Mark 1 – 3) und nochmals eine Stufe darunter die “Einstiegsdroge” in Form der E-M10 (Mark 1 – 4). Durchaus etwas unübersichtlich und es gibt tatsächlich viele Überschneidungen in den jeweiligen Klassen.
Hier gilt es also abzuwägen welche Features man benötigt und wo die eigene Budget-Grenze liegt.
Optisch jedenfalls kann man sich durchaus daran erfreuen…
Ich wollte was “Kleines und Kompaktes” für einen möglichst überschaubares Budget.
Entsprechend landete ich bei der E-M10 Mark II – da diese gegenüber der ersten Generation einen deutlich verbesserten EVF (elektronischen Sucher) verbaut hat.
Mit etwas Glück und Geduld lässt sich hier ein Modell je nach Zustand ab etwa 200€ (Body only) finden. Für weitere 100-150€ bekommt man ein gebrauchtes 17mm oder 20mm (34mm/40mm KB Äquivalent) Objektiv von Panasonic und hätte so eine sehr bezahlbare “Budget X100” 😉
Da mir die Panasonic Objektive äußerlich nicht allzu sehr zusagten und der Autofokus der kleinen als “Pancake” bezeichneten Objektive auch etwas gemütlicher daherkommt fiel meine Wahl auf das Olympus 17mm f/1.8 . Im Kleinbild-Bereich (“Vollformat”) entspräche dies in etwa einem 34mm Äquivalent und ist damit vom Bildwinkel her mit der Fix-Optik der X100 vergleichbar.
Die Gebrauchtpreise des Glases variieren sehr stark – offenbar ist das kleine 17er (wieder) recht beliebt. Klar: Es ist klein, sieht toll aus und besteht aus Metall (im Gegensatz zu vielen anderen Obejktiven). Daneben hat es noch ein ziemlich cooles Feature verbaut: Einen s.g. Focus-Clutch. Damit kann man den Autofokus entkoppeln und erhält quasi ein Objektiv mit manuellen Endanschlägen für den Nah, – und Fernbereich. Wer also gern mal auf den AF verzichtet oder ein paar Sequenzen Video aufnehmen möchte erhält damit ein solides Hilfsmittel für manuelle Fokusbewegungen. Ich bin nicht ganz sicher ob das ganze wirklich voll “mechanisch” übersetzt ist oder hier eher ein Servo im Hintergrund werkelt. Ich vermute eher letzteres – aber finde diese Funktionalität in solch einem kleinen Glas dennoch wirklich erwähnenswert und außergewöhnlich. Gern mehr davon, auch von anderen Herstellern!
Da die Straßenfotografie aber keine in Stein festgemeißelten Regeln bei der Brennweite vorgibt, darf natürlich genutzt werden was die Fototasche hergibt. Denn nicht vergessen: Gegenüber einer X100, R1R, Leica Q oder auch Ricoh GR bekommt Ihr mit mFT ja den Vorteil eines Wechselmount-Systems an die Hand. Ihr könnt also so ziemlich alles vom Ultraweitwinkel bis zum Supertele anschließen und nutzen – müsst es aber nicht.
Ich werde für den Beginn wohl beim 17er (34mm KB) bleiben und habe auch nicht vor das System entsprechend umfänglich auszubauen.
Wenn mir die E-M10 II beginnt Spaß zu bereiten könnte ich perspektivisch noch über eine Erweiterung in Richtung Normalbrennweite (25er aka “50mm KB”) oder leichtes Tele (45er aka “90mm KB”) nachdenken. Das 25er von Olympus werde ich auf jedenfall mal testen – haptisch liegt es wohl eine Stufe unterhalb des 17er – es besteht größtenteils aus Kunststoff und hat die tolle Focus-Clutch Funktion (siehe oben) leider nicht mehr verbaut.
Letztlich möchte ich den Fokus auf möglichst kleine, leichte und erschwingliche Objektive setzen. Denn die E-M10 II soll ja in erster Linie eine “immerdabei” Kamera bleiben – und das funktioniert für mich am besten wenn sie möglichst wenig zur Last fällt und man sich keine allzu großen Gedanken darüber machen muss. Hochwertige und teure Zooms oder superlichtstarke Hyperprimes ergeben für mich in diesem Zusammenhang keinen Sinn.
Mit welchen Kameras zieht ihr durch die Straßen? Oder hat das Smartphone alles verdrängt?
Toller Blog. Ich bin mit der OMD 10 VI und ebenfalls dem 17mm 1.8f unterwegs. Habe den Kauf bisher nicht bereut!
Hi – das klingt doch prima! Ich nutze die “Kleine” zugegebenermaßen weniger als erhofft – aber es macht definitiv Spaß damit durch die Gegend zu ziehen.
Ich habe mir im Dezember die Olympus E-M10 II für die Straße gebraucht zugelegt + 25 und 45 mm Olympus. Bin sehr zufrieden. Davor hatte ich die GX80, die meine Tochter übernommen hat, nachdem ich mir vor zwei Jahren eine gebrauchte Lumix G81 zugelegt hatte. Beides auch tolle Kameras.