Otto ersetzt Modelfotografie durch Künstliche Intelligenz

Der Hamburger Onlinehändler Otto setzt ein wegweisendes, aber auch gewiss nicht ganz unkritisches Zeichen für die Zukunft der Produktfotografie: Mit dem neuen Virtual Content Creator verabschiedet sich das Unternehmen vollständig von klassischen Studioshootings mit Models – und setzt stattdessen auf generative KI.

Von der Kamera zum Algorithmus

Was bisher tagelange Produktionsarbeit erforderte, geschieht nun in Minuten. Das hauseigene KI-System Movex | Virtual Content Creator, entwickelt von der Otto-Tochter one.O, erstellt realistische Modelbilder aus einem einzigen Produktfoto. Kleidung wird hochgeladen, ein gewünschter Modelltyp – etwa nach Alter, Körperform oder Ethnie – gewählt, und das System generiert umgehend täuschend echte Aufnahmen.

Diese Technologie ersetzt nicht nur Models, Fotografen und Stylisten, sondern auch aufwendige Setproduktionen. Das Resultat sind Bilder, die kaum von realen Fotos zu unterscheiden sind – und zugleich in beliebiger Vielfalt erzeugt werden können.

Geschwindigkeit und Effizienz

Laut Unternehmensangaben kann Otto mit dieser Methode fünfmal mehr Inhalte pro Tag produzieren als früher. Neue Kollektionen werden innerhalb weniger Stunden online verfügbar, während die Produktionskosten um rund 60 Prozent sinken.

CEO Marc Opelt bezeichnet den Umstieg als einen „neuen Meilenstein in der Bildproduktion“. Durch KI ließen sich nicht nur Kosten sparen, sondern auch die inhaltliche Vielfalt erheblich steigern.

Mehr Vielfalt und ethische Kontrolle

Besonderen Wert legt Otto auf Diversität: Digitale Models können unterschiedliche Hauttöne, Altersgruppen oder Körperformen repräsentieren – etwas, das bisherige Fotosessions in begrenztem Rahmen boten. Eine interne Prüfinstanz soll sicherstellen, dass die generierten Inhalte ethischen Standards entsprechen und keine Fehl- oder Stereotypdarstellungen entstehen.

Auswirkungen auf die Branche

Der Einsatz generativer KI verändert die Modefotografie grundlegend. Mit Otto als Branchenführer dürften bald auch andere Händler wie H&M, Zalando und Mango nachziehen. Fachleute prognostizieren, dass sich dieser Markt für KI-generierte Modebilder bis 2033 auf rund 14 Milliarden US‑Dollar vervielfachen wird.

Während Otto betont, durch KI neue kreative Freiräume für Content‑Teams zu schaffen, sehen Kritiker auch Schattenseiten: Der Wegfall klassischer Jobs in der Fotoproduktion und mögliche Authentizitätsprobleme im Onlinehandel bleiben offene Fragen.

Ausblick

Otto plant, den Einsatz der Technologie über Modebilder hinaus zu erweitern. Künftig sollen KI-Videos und digitale Möbelinszenierungen folgen, um Produkte in virtuellen Wohnräumen zu präsentieren – ganz ohne reale Kulissen oder Sets.

Mit dieser Strategie führt Otto vor, wie E-Commerce und generative KI zusammenwachsen. Der Konzern markiert damit nicht nur einen technologischen Wandel, sondern auch einen kulturellen Bruch: Das Ende der klassischen Modelfotografie, wie sie jahrzehntelang das Bild der Modebranche geprägt hat.

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