Der 21. August 2025 markiert einen Tag, den viele Liebhaber der Street- und Reportage-Fotografie sehnlichst erwartet haben: Ricoh hat die vierte Inkarnation ihrer legendären GR-Serie vorgestellt, die Ricoh GR IV. Nach langer Gerüchteküche und einer offiziellen Entwicklungsankündigung im Frühjahr ist es nun soweit. Die GR IV ist da – und sie kommt mit einigen spannenden Neuerungen, aber auch mit einem entscheidenden Manko, das die Fotografen-Community spaltet.
Der GR-Mythos: Kompakt, unauffällig, genial
Die GR-Serie hat sich über die Jahre einen fast schon kultischen Ruf erarbeitet. Ihre Stärken liegen in der absoluten Konzentration auf das Wesentliche: eine hochwertige Festbrennweite (traditionell 28mm KB-Äquivalent), ein kompakter, Hosentaschen-freundlicher Body und eine kompromisslose Bildqualität. Die GR-Kameras sind Werkzeuge für all jene, die schnell und unauffällig arbeiten wollen, sei es in den belebten Straßen einer Großstadt oder bei intimen Reportage-Projekten. Mit der GR IV tritt Ricoh in die Fußstapfen dieser Philosophie – und modernisiert sie konsequent.
Was ist neu? Ein Blick auf die Spezifikationen
Im Vergleich zum Vorgängermodell, der Ricoh GR III, bringt die GR IV einige signifikante Upgrades mit, die sie in der heutigen Kamerawelt wettbewerbsfähig machen:
- Neuer 26-Megapixel-APS-C-Sensor: Das Herzstück der Kamera ist der neue Sensor, der eine höhere Auflösung und verbesserte Rauschleistung verspricht. Insbesondere bei wenig Licht soll die GR IV mit ihrem Vorgänger mithalten können und vielleicht sogar übertreffen.
- Überarbeitetes Autofokus-System: Ricoh hat sich die Kritik am oft zögerlichen Autofokus der GR III zu Herzen genommen. Die GR IV verfügt über ein hybrides Autofokus-System, das Phasen- und Kontrastdetektion kombiniert. Erste Berichte deuten auf eine deutlich gesteigerte Geschwindigkeit und Präzision hin, was für die Street-Fotografie, bei der es auf den Bruchteil einer Sekunde ankommt, entscheidend ist.
- Bildstabilisierung der nächsten Generation: Die neue GR IV nutzt eine weiterentwickelte Version des “Shake Reduction”-Systems, das nun bis zu 5,5 Blendenstufen an Kompensation bietet. Das ist ein Segen für Aufnahmen aus der Hand bei schlechten Lichtverhältnissen.
- USB-C 3.2 und schnelleres WiFi: Konnektivität ist heutzutage wichtiger denn je. Die GR IV setzt auf den modernen USB-C 3.2 Standard für schnelle Datenübertragung und bietet ein schnelleres WiFi-Modul für die einfache Verbindung mit Smartphones und Tablets.
Die größte Stärke der GR IV liegt in ihrer konsequenten Weiterentwicklung der GR-Philosophie. Sie ist ein Werkzeug für Puristen, die eine kompromisslose Bildqualität in einem ultrakompakten Gehäuse suchen.
Vergleich zur Konkurrenz:
- Fujifilm X100VI: Die X100-Serie von Fujifilm ist der wohl prominenteste Konkurrent. Sie bietet ebenfalls eine APS-C-Kamera mit Festbrennweite in einem kompakten Gehäuse. Die X100VI überzeugt mit ihrem Hybrid-Sucher, dem schicken Retro-Design und der herausragenden Filmsimulation. Die GR IV hingegen punktet mit ihrer noch kleineren Bauweise und dem unauffälligeren Design. Wo die Fujifilm eher “Lifestyle-Kamera” ist, bleibt die Ricoh ein reines Werkzeug.
- Leica Q3: In der High-End-Klasse spielt die Leica Q3, die mit ihrem Vollformatsensor und dem Summilux-Objektiv eine atemberaubende Bildqualität liefert. Allerdings ist sie ungleich teurer und größer. Die Ricoh GR IV richtet sich an Fotografen, die die Portabilität einer Kompaktkamera schätzen, aber nicht auf die kreativen Möglichkeiten eines großen Sensors verzichten wollen.
Das fehlende Puzzlestück: Das Dilemma des fehlenden Suchers
Und hier kommen wir zum großen Knackpunkt. Trotz aller Verbesserungen und der Liebe zum Detail, die Ricoh in die GR IV gesteckt hat, fehlt ein Feature, das für viele ernsthafte Fotografen unerlässlich ist: ein integrierter elektronischer oder optischer Sucher, oder zumindest die Option einen solchen nachrüsten zu können.
Ja, die GR-Serie war schon immer eine “Live-View-Kamera”. Aber das Argument, dass ein Sucher die Kompaktheit beeinträchtigen würde, mag angesichts der Konkurrenz, die es schafft, beide Welten zu verbinden (z.B. Fujifilm X100VI, Sony RX1R III ), nicht mehr ziehen. Ein Sucher ist nicht einfach nur ein Gimmick. Er ist ein fundamentales Werkzeug:
- Bessere Kontrolle bei hellem Sonnenlicht: Bei grellem Licht ist das Display auf der Rückseite oft kaum zu erkennen. Ein Sucher ermöglicht es, das Bild auch unter diesen Bedingungen präzise zu komponieren.
- Stabile Haltung: Die Kamera mit dem Auge am Sucher zu halten, sorgt für eine stabilere Position. Das minimiert Verwacklungen, insbesondere bei Aufnahmen mit längeren Verschlusszeiten.
- Fokussierte Erfahrung: Das Eintauchen in den Sucher hilft, sich voll auf das Motiv zu konzentrieren und Ablenkungen durch das Umfeld zu minimieren. Es ist eine intimere Art der Fotografie.
Ricoh bietet weiterhin einen optionalen optischen Aufstecksucher an – aber das ist eine suboptimale Lösung. Er macht die Kamera größer, ist leicht zu verlieren und liefert kein Live-Bild mit Fokus-Informationen. Schön wäre hier mal eine Neuerung – etwa eine digitale Schnittstelle zum Andocken von Zubehör wie es z.B. BlackMagicDesign bei ihren Pocket Cinema Cameras vorgemacht hat.

Fazit: Eine Legende mit einem Makel
Die Ricoh GR IV ist zweifellos eine beeindruckende Kamera, die die Stärken ihrer Vorgänger konsequent ausbaut. Mit ihrem neuen Sensor, dem schnelleren Autofokus und der verbesserten Bildstabilisierung ist sie eine absolute Traumkamera für die Street-Fotografie und für all jene, die ein leistungsstarkes Werkzeug im kleinstmöglichen Format suchen.
Aber das Fehlen eines integrierten Suchers ist ein großes Versäumnis – und für mich ein absoluter Anti-Kaufgrund.. In einer Zeit, in der die Konkurrenz zeigt, dass beides möglich ist – Kompaktheit kombiniert mit einem elektronischen Sucher – wirkt diese Entscheidung von Ricoh wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Es zwingt den Fotografen, Kompromisse einzugehen, die nicht nötig wären. Die GR IV ist eine großartige Kamera – aber sie könnte eine noch bessere sein, hätte Ricoh den Mut gehabt, dieses eine, entscheidende Puzzlestück hinzuzufügen. Wer die GR-Serie für ihre kompromisslose Bildqualität und Unauffälligkeit liebt, wird hier fündig. Wer jedoch auf einen Sucher nicht verzichten möchte, muss weiterhin zur Konkurrenz blicken…