Wenn Hersteller von einer „neuen Kategorie“ sprechen, ist Skepsis meist angebracht – bei der Antigravity A1 lohnt sich aber womöglich wirklich ein zweiter Blick. Die 249‑Gramm‑Drohne kombiniert eine 8K‑360°‑Kamera, FPV‑Brille und Motion‑Controller zu einem System, das sich eher wie ein Vogelblick-Simulator als wie eine klassische Kameradrohne anfühlen dürfte.
Ein System, kein Solo-Copter
Statt nur eine Drohne mit Kamera zu verkaufen, denkt Antigravity die A1 als komplettes Ökosystem: Drohne, Vision-Goggles und Grip-Motion-Controller sind technisch und ergonomisch aufeinander abgestimmt. Die Drohne trägt zwei Fisheye-Objektive oben und unten, sticht sich selbst aus dem Bild und liefert fertiges 8K‑360°‑Material, ohne dass eine zusätzliche 360°‑Kamera montiert werden muss.
Die Vision-Goggles setzen auf je ein Micro‑OLED‑Panel mit 2.560 × 2.560 Pixeln pro Auge und übertragen das Livebild mit bis zu 2K bei 30 fps, während Head-Tracking Blickrichtung und Bildausschnitt in Echtzeit verknüpft. Gesteuert wird mit dem Grip-Controller: Zeigen, Gas geben, fliegen – FreeMotion nennt Antigravity das Prinzip, das klassische Dual-Sticks durch einen Zeige-Controller mit Bewegungssensoren und Tasten ersetzt.
Technische Basis: Leicht, schnell, 8K
Bei aller VR- und Immersions-Magie stimmen auch die harten Fakten. Die A1 kommt mit Standardakku auf 249 g (EU‑C0) und liegt mit High-Capacity‑Akku bei 291 g (C1), was rechtlich spannende Spielräume für Flüge in der OPEN‑Kategorie eröffnet. Die Flugzeit liegt je nach Akku zwischen etwa 20 und 39 Minuten, die maximale Horizontalgeschwindigkeit bei rund 16 m/s, Windwiderstand Level 5 sorgt für ausreichende Reserven im Alltag.
Herzstück ist ein 1/1,28″-Sensor mit Dual‑Lens‑Setup, der Fotos bis etwa 55 MP und Videos bis 8K (7.680 × 3.840) bei 30 fps, 5.2K bis 60 fps und 4K bis 100 fps liefert. GNSS (GPS, Galileo, BeiDou), Vision‑Sensoren und eine OmniLink‑Übertragung mit bis zu 6 km Reichweite im CE‑Modus bilden das technische Rückgrat für stabilen Flug und zuverlässigen Link zur Brille.

Fluggefühl: Zwischen FPV-Racing und Rail-Shooter
Spannend ist nicht nur, was die Kamera sieht, sondern wie sich die Drohne fliegt. Durch die Entkopplung von Flugrichtung und Blickrichtung via Head-Tracking fühlt sich die A1 im Kopf eher nach FPV-Race an, ohne dass man tatsächlich ein Racing-Setup beherrschen muss. Der Grip-Controller legt mit Point‑to‑Fly und Gestensteuerung den Fokus auf Intuition: Hochzeigen für Steigflug, seitlich kippen für Kurven, Tasten und Drehrad für Feinanpassungen.
Für alle, die lieber „Passagier“ als „Pilot“ sind, gibt es mit Sky Path einen Automatikmodus, bei dem die A1 vordefinierten Routen folgt und man sich voll auf den Rundumblick konzentriert. In Kombination entsteht ein Flugerlebnis, das klassischen GPS-Kameradrohnen deutlich näher an FPV heranrückt, ohne deren Einstiegsbarriere bei Setup, Tuning und Reparatur zu übernehmen.
Content-Perspektive: „Fly first, frame later“
Der eigentliche Game-Changer passiert nach der Landung. Da die A1 immer die komplette Kugel aufzeichnet, verschiebt sich der kreative Prozess in die Postproduktion: fly first, frame later. Statt vor dem Start über Kamerawinkel, Gimbal-Tilts oder Wegpunkte nachzudenken, wählt man hinterher in der Software die gewünschten Ausschnitte – klassischer „flacher“ Clip, vertikales Reel, VR‑Erlebnis oder reframte FPV‑Kamera sind nur unterschiedliche Exports aus derselben 8K‑Timeline.
Für Creator bedeutet das mehr Sicherheit und weniger Ausschuss: Die eine gute Flugbahn reicht, um daraus mehrere Formate für YouTube, Reels, TikTok und VR zu schneiden. Wer bisher 360°‑Kameras an Drohnen geschraubt hat, bekommt mit der A1 erstmals ein integriertes System, bei dem Flugverhalten, Stabilisierung, Stitching und Brille aufeinander abgestimmt sind.
Für wen lohnt sich die A1?
Mit Einstiegspreisen ab rund 1.399 Euro positioniert sich die Antigravity A1 klar im Semi‑Pro- bis Pro-Segment. Zielgruppe sind weniger klassische „Urlaubsdrohnen“-User, sondern Creator, die immersive Luftaufnahmen für Storytelling, Dokumentation, Sport und Travel-Content nutzen wollen – vom Solo‑Filmer über Agenturen bis hin zu VR‑Produktionen.
Wer hingegen vor allem hochauflösende, gerichtete Shots mit Zoom, variabler Blende und Objektverfolgung braucht, ist mit einer konventionellen Kameradrohne (Mini-/Mavic‑Klasse) aktuell vermutlich weiterhin besser bedient. Die A1 spielt ihre Stärken genau dort aus, wo Perspektive, Immersion und Flexibilität im Schnitt wichtiger sind als der perfekte Tele-Shot auf Distanz.
Spannedes Teil finden wir – zumindest auf dem Papier! Wie steht ihr dazu?

